260
A. Europa.
ni sch er Pilgrimme aus der französischen Normandie im untern Ita-
lien auf ihrer Reise nach Jerusalem. Immer zu Waffenthaten auf-
gelegt, fanden sie sich bereit gegen die Araber zu kämpfen, und ihre
Kraft und Tapferkeit setzte die Landesbewohner in Erstaunen. Sie
selbst gereizt von der Leichtigkeit des Erfolgs riefen immer mehrere
ihrer Landsleute herbei, die nun nicht mehr für die Griechen, son-
dern für sich selbst fochten und schon 1o22aversa, die erste nor-
mannische Stadt, gründeten. Vorzüglich zeichneten sich aus Tan-
kred vonhauteville und seine Heldensöhne, deren Familie die Herr-
schaft über diese Lander errang. Bald hatten sie die Araber und
auch die Griechen vertrieben; Robert Guiscart, Tankreds Sohn,
ward vom Papst, den er in einer Schlacht gefangen, zum Herzog
von Apulien ernannt und erkannte gern den Papst als seinen Lehns-
herrn, so wie dieser dagegen sich an den Normannen eine mächtige
Stütze gegen andre Feinde erwarb. Roberts Sohn Roger eroberte
1061 noch Sizilien, und schon 1130 nannten sich seine Nachfolger
Könige beider Sizilien; 1150 endlich ergab sich ihnen freiwillig die
bis dahin als eigner Freistaat unter griechischem Schutze gestandene
Stadt Neapel. Palermo aber war die Residenz des neuen Reiches.
Während so im nördlichen und südlichen Italien neue Verhältnisse
sich entwickelten, war im mittlern die Macht der Päpste unbemerkt
gewachsen und erreichte im Ilten und 12ten Jahrhundert ihren
Gipfel. Daß der Bischof von Rom, als Oberhaupt der Gemeinde
der Hauptstadt, von den Bischöfen in den Provinzen mit einer ge-
wissen Achtung und Ehrfurcht betrachtet wurde, war höchst natür-
lich. Noch günstiger wurde seine Stellung, als der Sitz des Reichs
nach Conftantinopel verlegt worden. Während der Patriarch von
Constantinopel von der Anwesenheit der Kaiser gedrückt, von ihren
Launen abhing, erschien der Bischof des sich selbst überlassenen Rom
häufig als der wohlthätige Vermittler und Fürsprecher der Stadt;
und als nun vollends die Eifersucht gegen den Patriarchen von Con-
stantinopel und mehr noch die eigenthümlich verschiedene Bildung
und Sinnesart der östlichen und westlichen Völker eine Trennung
der Kirche in eine morgenländische und eine abendländische veran-
laßt hatte, war es wiederum ganz natürlich und unvermeidlich,
daß der Bischof von Rom oder Papst als das geistliche Oberhaupt
der abendländischen Kirche angesehen wurde. Waren ja doch Fran-
ken, Britten, Germanen durch seine Abgesandte und in seinem
Namen zum Christenthum bekehrt worden. Zu diesen natürlichen
Verhältnissen wurden aber bald noch andre Hülfsmittel gesellt, die
Oberherrschaft der Päpste zu begründen. Die untergeschobenen
Dekretalen (Sammlung päpstlicher Verordnungen) des falschen Jsi-
dorus in der Mitte des 9ten Jahrh, mußten die Welt belehren, daß
von der ältesten Zeit der Papst als Nachfolger des h. Petrus das
Oberhaupt der Kirche gewesen, daß alle weltliche Macht nur von
ihm ihre Bestätigung und Geltung erhalte, und in jenen Zeiten all-
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung]]
TM Hauptwörter (200): [T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T16: [König Heinrich Karl Frankreich Neapel Sohn England Philipp Herzog Bruder], T48: [Christ Jerusalem Sultan Mekka Araber Land Jahr Stadt Mohammed Türke], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Robert_Guiscart Tankreds Roberts Britten
Extrahierte Ortsnamen: Europa Ita- Jerusalem Apulien Sizilien Neapel Palermo Italien Rom Conftantinopel Constantinopel Rom Rom
443
Ix. Griechenland.
einige Zeit wieder eroberte. Jetzt aber brach aus dem Innern Ara-
biens mit der ganzen Kraft neu entzündeter Religionsschwärmerei
der furchtbare Feind hervor, die Araber, welcher mit unglaublicher
Schnelligkeit den ohnmächtigen Römern die ganze Küste von Afrika
und den größten Theil ihrer asiatischen Besitzungen entriß und selbst
Constantinopel 676 mit einer Flotte angriff. Nur das griechische
Feuer, eine unbekannte Substanz, welche man brennend auf die
Feinde schleuderte, rettete diesmal die Hauptstadt vom Untergange;
mehrere Inseln aber, Cyprus, Kreta, Rhodus, geriethen für ei-
nige Zeit in die Hände der Araber, während von einer andern
Seite die Bulgaren von Norden her in das Reich eindrangen. Im
7ten und 8ten Jahrhundert wurde das Reich durch den bekannten
Bilderstreit zerrüttet, indem zwei entgegengesetzte Parteien sich wü-
thend verfolgten, wovon die eine die Bilder und Statuen, welche
zum Gegenstand der Verehrung wo nicht der Anbetung geworden
waren, aus den Kirchen verbannen, die andre sie beibehalten
wollte. Letztere behielt zwar die Oberhand, doch leitete dieser Streit
zuerst die Trennung zwischen der morgenländischen oder griechischen,
und der abendländischen oder lateinischen Kirche ein, welche auf
den Untergang des osirömischen Reichs nur allzuviel Einfluß ge-
habt, indem die Christen beider Parteien sich gegenseitig als Ketzer
verabscheuten. Unter diesen Umständen konnten selbst die bessern
Kaiser aus dem macedonischen Geschlecht, welche bis 1056 regier-
ten und anfänglich die Araber bis an den Euphrat zurückdrängten,
den gänzlichen Verfall des Reichs nur verzögern, und als die seld-
schukischen Türken, ein wilder, kriegerischer Haufe aus dem In-
nern Asiens, statt der indeß ermatteten Araber, seit 1050 vordran-
gen, gingen auch diese Eroberungen und selbst der größte Theil von
Kleinasien bald wieder verloren. Noch einmal und zum letzten
Male lächelte das Glück dem immer tiefer sinkenden Reiche. Die
Heere der Kreuzfahrer wälzten sich mit unwiderstehlicher Macht
nach Asien, und obwohl den Griechen als Ketzer und wegen ihrer
Ausschweifungen und des Stolzes ihrer Anführer verhaßt, halfen
sie doch die Türken noch einmal aus Kleinasien verdrängen. Die
Familie der Comnenen, welche 1096 — 1204 den Thron besaß,
brachte einige staatskluge und tapfere Männer hervor, welche, wie
Alexius Comnenus, sich mit großer Geschicklichkeit in den schwieri-
gen Umständen zu finden wußten; andre, wie Johann und Manuel
Comnenus , welche mit hoher Tapferkeit ihre Siege verfolgten. Als
aber auch in dieserfamilie die auf dem byzantinischen Throne gleich-
sam erblichen Zerrüttungen der Thronfolge durch Ehrgeiz und Ver-
brechen eintraten, konnte nichts mehr den gänzlichen Sturz des
Reichs aufhalten. Die Kraft der Kreuzfahrer ließ nach, die Tür-
ken drangen wieder in Kleinasien vor, und ein neuer Feind, die
im untern Italien angesiedelten Normänner, verheerte Griechen-
land. Aus den Unruhen, welche die gewaltsame Bewerbung um
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Personennamen: Alexius_Comnenus Johann Johann Manuel
Comnenus
Extrahierte Ortsnamen: Griechenland Afrika Constantinopel Kreta Asiens Kleinasien Asien Kleinasien Kleinasien Italien
Ix. Griechenland. 1. Europ. Türkei. 453
muhammedanischen Glauben an, dienten in den Heeren der Ara-
der vom loten bis 12ten Jahrhundert und wurden bald die Leib-
wächter, zuletzt die Beherrscher der in Schwäche und Verachtung
gesunkenen Khalifen vvn Bagdad. Ein Theil von ihnen, dieseld-
schucken, entrissen dem oftrömischen Reiche mehrere Provinzen in
Kleinasien und gründeten ein bedeutendes Reich, wovon Jconium
die Hauptstadt war. Der Einfall der Mongolen im Anfange des
18ten Jahrhunderts zerstörte auch dieses Reich, und aus den Trüm-
mern desselben, vielleicht aus mehreren vermischten Haufen von
Türken, Tataren, Cumanen u. a., bildete ein kühner Anführer Os,
man ums Jahr 1281 den schwachen Keim einer Macht, welche sich
bald siegreich über 8 Welttheile verbreitete. Von ihm haben die
Türken ihren Namen Osmanen erhalten, und seine Nachkommen
besitzen noch jetzt den Thron von Conftantinopel. Ihre Siege, ihr
Uebergang nach Europa und die Entstehung ihres Reichs in diesem
Welttheile sind oben (S. 448.) erzählt. — Obgleich seit Jahr-
hunderten in vielfältiger Berührung mit den gebildeten Völkern,
haben die Türken nur wenig von ihrer ursprünglichen Rohheit ab-
gelegt; hartnäckig haben sie ihre von den unsrigen durchaus ab-
weichenden Sitten und Gebräuche beibehalten und daher nur
äußerst geringe Fortschritte in den Künsten und Wissenschaften ge-
macht. Der Gebrauch des Schießpulvers ist beinahe das einzige,
was sie von den Europäern angenommen haben. Alle Türken be-
kennen sich zu der von Muhammed im Anfange des 7ten Jahrhun-
derts gestifteten Religion, dem Islam, und dieser Glaube bildet
vorzüglich die unüberfteigliche Scheidewand, welche sie von den
Europäern trennt. Die türkische Sprache gehört zu den tatari-
schen Mundarten, sie ist zwar volltönend, aber arm, daher sie auch
unzählige persische und arabische Wörter und Redensarten aufge-
nommen. Nur das Volk bedient sich ausschließlich der türkischen
Sprache, jeder einigermaßen gebildete Türke muß das Persische
und das Arabische verstehen; dieses ist die Sprache der Religion
und der Wissenschaften; das Persische die Sprache der Dichter.
Das türkische Alphabet ist mit geringen Veränderungen das der
Araber, es wird wie dieses von der Rechten zur Linken geschrieben.
Das türkische Papier, meist aus Europa bezogen, wird stark ge-
glättet, und man schreibt darauf, gewöhnlich ohne weitere Unter-
lage, auf den Knieen, mit feinen Rohrfedern. Auf Schönheit
der Handschrift wird großer Werth gelegt, da die Buchdruckerkunft
wo nicht unbekannt, doch äußerst wenig benutzt wird.
Als wilde Eroberer, unter völlig unumschränkten Herrschern,
sind die Türken in Europa eingedrungen, und noch jetzt gleicht ihre
Verfassung der eines über ein großes Land zerstreuten Heeres.
Das Oberhaupt der Türken, der Groß-Sul tan, auch Groß-
Herr, Padischah, genannt, auch wohl mit den Titeln Alem-
penah, d. h. Zuflucht der Welt, Zil-ullah, d. h. Schatten
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Conftantinopel Muhammed Muhammed
Extrahierte Ortsnamen: Griechenland Bagdad Kleinasien Europa Europa Europa
455
ix. Griechenland. 1. Europ. Türkei.
werden zwar auch die Imams oder Diener der Religion genom-
men, als solche stehen diese dann aber nicht mehr unmittelbar un-
ter dem Mufti, sondern unter dem Kislar Aga, dem Haupt
der schwarzen Verschnittenen. Die bei weitem zahlreichere und
geachtetere Klasse der Ulemas sind die Lehrer und Erklärer des Ge-
setzes, aus ihnen werben die Mollas oder Richter in größeren
Städten, die Kadis oder Richter in kleineren Städten genom-
men und deren Oberhaupt ist der Mufti, und, nur daß die türki-
schen Gesetze ihre ursprüngliche Quelle im Koran haben, giebt dem
Mufti auch ein geistliches Ansehen; eben deshalb verrichtet er auch
bei der Thronbesteigung eines Sultans die Schwerdtumgürtung,
welche der Krönung bei uns entspricht. Uebrigens wird er vom
Sultan ernannt und abgesetzt; seine Unterschrift (das sogenannte
Fetwa) bei wichtigen Gesetzen, Friedensverträgen u. s. w. ist
eine leere Formalität; nur vor körperlichen entehrenden Strafen
sichert den Mufti und die Ulemas überhaupt ein altes geheiligtes
Herkommen.
Unumschränkte, aber schwache und das Vergnügen liebende
Sultane mußten bald das Bedürfniß fühlen, die Last der Geschäfte
von sich abzuwälzen und Einer Person die ganze Fülle ihrer Macht
zu übertragen; diese Person ist der Vizir azem oder Groß-Ve-
zier. Er ist in allen Dingen der Stellvertreter des Sultans, nur
durch dessen Willen beschränkt, übrigens unumschränkter Gebieter
auch über Leben und Tod aller Unterthanen. Bei wichtigen Ange-
legenheiten versammelt er einen Rath hoher Staatsbeamten, den
Diwan, im Pallaft des Sultans, der aber nur hinter einem
Vorhänge dabei gegenwärtig ist und keinen Theil an den Verhand-
lungen nimmt. Der Groß-Vezier führt den Vorsitz im Diwan,
zu welchem außer ihm noch der Kapudan Pascha oder Groß -
Admiral, die zwei Kadi askers oder Oberrichter, der Greß-
schatzmeifter und andre gehören; der Mufti erscheint nie im Di-
wan. Der Groß-Vezier bewohnt einen eignen Pallaft, welcher
vorzugsweise die Pforte genannt wird; weil nach altem mor-
genländischen Gebrauch ehemals am Thore des Pallastes Fremde
empfangen und Geschäfte abgemacht wurden; daher wird in diplo-
matischer Hinsicht die türkische Regierung auch wohl die hohe
Pforte genannt. Im Kriege ist der Groß-Vezier jedesmal der
oberste Feldherr. In seiner Abwesenheit führt der Kaimakan
seine Geschäfte. — Dem Groß-Vezier zunächst in Beziehung auf
das Ausland steht der Reis Eff en di oderminifter der auswär-
tigen Angelegenheiten, und unter diesem die Dragomans oder
Dolmetscher, welche bisher gewöhnlich aus den vornehmsten grie-
chischen Familien genommen wurden.
Die Provinzen werden durch Statthalter des Sultans oder
Beamte verwaltet, welche ein jeder in seinem Gebiete die unum-
schränkteste militärische und richterliche Gewalt ausüben. Rach
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T48: [Christ Jerusalem Sultan Mekka Araber Land Jahr Stadt Mohammed Türke], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König]]
476
A. Europa.
tisch. Das Ganze ist 269 F. lang, 243 breit; die Kuppel aber ist
180 F. lang und 115 breit und vom Boden an 165 F. hoch; an
Größe steht sie daher manchen andern Kirchen Europa's, nament-
lich der Peterskirche in Rom, der Paulskirche in London, über-
haupt den meisten gothischen Kirchen, ziemlich weit nach, dagegen
aber übertrifft sie alle durch ihr hohes Alter von beinahe 1360 Jah-
ren, und sieht noch jetzt, trotz der häufigen Erdbeben, unerschüt-
tert da. Einem Christen wird der Eintritt nur gegen einen Fir-
man oder Erlaubniß des Sultans gestattet. — Eigentlicher
Dschamien oder Moscheen zahlt Constantinopel mit allen seinen
Umgebungen an 485, worunter 10 von Sultanen erbaut und nach
ihnen benannt, als: Sultan Selim, Mahmud, Solimán u. a.
die berühmtesten sind. Bethäuser aber, oder Medscheds über
5000, griechische Kirchen 23, eine russisch-griechische, 9 katho-
lische und 3 armenische. Bei den Dschamien befinden sich gewöhn-
lich kleine aber prächtige Begräbnißkapellen ihrer Stifter, Tur-
d e's genannt; auch sind meistens mit größeren Moscheen wohlthä-
tige Anstalten, namentlich Hospitäler, Khans oder Herbergen
für Reisende, vorzüglich aber Schulen und Bibliotheken verbun-
den. Die Khans sind meist 4 eckige, einen Hof einschließende Ge-
bäude, innerhalb mit vielen Zellen und mit Säulengängen verse-
hen, worin die mit Karawanen reisenden Kaufleute für sich und
ihre Waaren unentgeldlich ein sichres, feuerfestes Obdach finden;
Lebensmittel aber müssen sie sich selbst verschaffen. Die Schulen
höherer Art, über 500 an der Zahl, werden Medresès genannt,
die Lehrer oder Professoren derseloen, Softas; hier werden alle
diejenigen gebildet, welche in das Corps des Ulema aufgenommen
werden wollen; niedere Schulen, Mektebs genannt, worin die
Aermeren im Lesen, Schreiben und in der Religion unentgeldlich un-
terrichtet werden, zählt Constantinopel über 1200. Bei vielen
Moscheen befinden sich Bibliotheken, welche von Sultanen oder
Privatpersonen gestiftet worden und sich durch Geschenke vermeh-
ren; öffentliche Bibliotheken giebt es 13 in der Stadt, die stärkste
wird aber kaum 2060 Bände enthalten; überall sind hier nur zum
Theil überaus prächtige Manuscripte des Koran, Commentare dar-
über, astrologische, medizinische und juristische Schriften, Wörter-
bücher und Gedichte der morgenländischen Litteratur zu suchen.
Gedruckte Werke sieht man überaus wenige im Morgenlande, weil
sie die Zierlichkeit der Handschriften nicht erreichen, auch der Koran
aus religiösem Aberglauben nicht gedruckt werden darf. — An
merkwürdigen Gebäuden und Plätzen in der eigentlichen Stadt be-
merken wir ferner: das Eski Seral oder alte Serail, von Mu-
hammed 1í. erbaut, seine Mauern haben über y* Meile im Um-
fange. Hierher werden die Weiber und Kinder eines Sultans nach
seinem Tede gebracht, wo sie in klösterlicher.abgeschiedenheit leben
müssen. Keines Mannes Fuß darf das Innere dteses Gehöfts bc-
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom]]
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Extrahierte Ortsnamen: Europa Rom London Constantinopel Constantinopel Eski_Seral
460
A. Europa.
zelt, an einer davor aufgerichteten langen, rothen Stange, mit
einer Kugel von gleicher Farbe kenntlich, wo sich der Diwan zum
Kriegsrath versammelte und wo Gericht gehalten wurde; daneben
stand das Basch Tschadir oder Zelt des Groß-Veziers, welches
durch eine vergoldete Kuoiel und einen darüber befindlichen halben
Mond, und durch die grüne Farbe seines Gipfels und der Stangen
ausgezeichnet war. Die Versorgung der Armee mit Lebensmitteln
geschah höchst unregelmäßig, daher auch der Marsch eines solchen
Heeres alles weit und breit verwüstete. Auf dem Marsche selbst
herrschte völlige Unordnung; es war genug, wenn nur ein jeder
sich Abends im Lager einfand. So furchtbar die leichten Truppen
der Türken, so hartnäckig ihre Vertheidigung fester Plätze ist, so
unvollkommen war ihre Schlachtordnung und ihre Bewegungen,
daher sie nicht leicht im offenen Felde gegen regelmäßige Truppen
etwas ausrichteten. Das Schicksal der Gefangenen bei den Tür-
ken ist traurig; die meisten werden in der ersten Wuth niederge-
metzelt; die der Staat erhält, werden ohne Unterschied gefesselt
und zu den härtesten Arbeiten in den Arsenalen von Constan-
tinopel gebraucht; um ihre eigenen Gefangenen bekümmern sie sich
gar nicht.
Bekanntlich sind alle Türken eifrige Anhänger der Lehre Mu-
hammeds oder des Islam, d. h. Heilslehre, welche über einen
großen Theil von Asien und Afrika verbreitet in 2 Hauptparteien,
die der Sunniten, wozu die Türken, und die der Schiiten,
wozu die Perser gehören, zerfällt; beide sind durch den wüthend-
sten Religionshaß entzweit. Diese Lehre ist höchst einfach; der be-
kannte Satz: „es ist nur Ein Gott und Muhammed ist sein Pro-
phet", enthält die Grundlage derselben. Außerdem aber schreibt
sie viele äußere Gebräuche vor: die Beschneidung, häufige Gebete
und Abwaschungen, Fasten, verbietet den Genuß des Weins und
aller geistigen Getränke und des Schweinfleischcs, erlaubt dagegen
die Vielweiberei und verheißt den Gläubigen ewige sinnliche Ge-
nüsse im Paradiese. Sie ist daher ihrem Wesen nach aller tiefern
Speculation und geistigen Ausbildung abhold, ganz für die Be-
dürfnisse und Wünsche eines sinnlichen Volkes berechnet, und legt
mehr Werth auf die Beobachtung der Vorschriften und Gebräuche,
als auf Sinnesänderung. Das tägliche Gebet, Namaz, wird
Lmal täglich wiederholt, Morgens, Mittags, Nachmittags, Abends
und nach Untergang der Sonne; das Waschen der Hände, des
Kopfes und Halses ist die Vorbereitung zum Namaz; in gewissen
Fällen ist selbst das Waschen des ganzen Körpers vorgeschrieben,
und für jedes Gebet sind Worte, Stellung und Gebräuche aufs ge-
naueste bestimmt. Freitags, als am heiligen Tage der Muselmän-
yer, wird Nachmittags noch ein besonderes Gebet verrichtet. Das
große 30tägige Fasten im Monat Ramanzan wird durch gänz-
liche Enthaltung aller Speise und Trankes und aller sinnlichen Ge-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T48: [Christ Jerusalem Sultan Mekka Araber Land Jahr Stadt Mohammed Türke], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
462
A. Europa
und die Hunde, obgleich für unrein gehalten und aus den Häusern
und der Nähe der Moscheen verbannt, werden in unglaublicher
Zahl in den Straßen von Conftantinopel geduldet. Nur das
Schwein wird für so unrein gehalten, daß man es nicht einmal in
den Städten duldet, und die europäischen Gesandten selbst dürfen
nur zu einer gewissen Zeit und bei Nacht Schweine in ihre Häuser
bringen lassen. — Nur den Götzendienern droht der Islam Ver-
nichtung; alle Anbeter Eines Gottes dürfen in türkischen Ländern
gegen Erlegung von Tribut sich frei aufhalten und die Gebräuche
ihres Glaubens ausüben; der Muselmann würde nach dem Gesetz
hart bestraft, der Mosen oder Jesum lästerte, weil beide selbst bei
den Türken für Propheten gelten; aber freilich blickt der unwissende
Türke mit tiefer Verachtung auf Juden und Christen herab, welche
beständig der Verspottung und den Mißhandlungen des Pöbels, so
wie den Bedrückungen der Großen ausgesetzt sind. Das Zeugniß
eines Muselmanns wiegt das von 10 Juden oder Christen vor Ge-
richt auf, und falsche Zeugen gehören zu den alltäglichsten Erschei-
nungen, wo ein sogenannter Ungläubiger oder Ray ah gegen ei-
nen Muselmann klagt; selbst wenn er dessen überwiesen würde,
käme der Türke mit einer leichten Strafe davon.
Die Türken sind im Ganzen genommen ein wohlgebautes,
kräftiges und schönes Volk; eine einfache Erziehung, die weder
Geist noch Körper verkrüppelt, überläßt der Natur die Entwickelung
ihrer nicht unbedeutenden Fähigkeiten. Findet man gleich unter
ihnen nur äußerst selten wissenschaftliche Kenntnisse, so ist dagegen
ein natürlicher Verstand desto gewöhnlicher; daher es auch gar
nichts seltenes ist, daß Türken von der niedrigsten Geburt durch
Gunst und Verdienste sich zu den höchsten Staatsämtern empor-
schwingen und ihnen mit Würde und Einsicht vorstehen. Ueber
den C h a r a k t e r dieses von Einigen zu hoch erhobenen, von Andern
viel zu tief herabgewürdigten Volkes ist es schwer ein allgemeines
Urtheil zu fällen. Im Ganzen muß man wie überall so auch hier
vorzüglich den Mittelstand und die Bewohner des Landes von den
Umgebungen des Hofes wohl unterscheiden. Bei den ersten findet
man durchgängig Redlichkeit, Treue und Großmuth, Mäßigkeit
und Reinheit der Sitten als edle Grundzüge des Charakters, die
nur durch Verachtung aller andern Völker und zuweilen durch wild
aufwallende Leidenschaften verunziert werden. Bei denen aber, die
in Aemtern stehen und um die Hofgunft buhlen, sind Falschheit,
eine über alle Begriffe weit getriebene Verftellungskunft, Habsucht,
Sklavensinn und Härte gegen Geringere, und große Sittenver-
derbniß die vorherrschenden Züge. Allen aber ist ein gewisser feier-
licher Ernst und eine äußere Würde angeboren; häufiges Lachen,
vieles Sprechen, schnelle Bewegung gelten ihnen für unanständig.
Beinahe ohne Ausnahme sind die Türken mäßig im Genuß der
Speisen; sie genießen weit einfachere Speisen, als wir, und da sie
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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465
Ix. Griechenland. 1. Europ. Türkei.
und Reiche von diesem Gesetze Gebrauch machen; die unendliche
Mehrzahl begnügt sich mit Einem Weibe, und sehr viele selbst
müssen aus Armuth der Ehe entsagen. Der Sultan hat eigentlich
keine Frau, sondern nur eine größere oder geringere Anzahl (oft
mehrere hundert) Sklavinnen oder O d a l i ks. Diejenigen unter
ihnen, denen er besonders seine Gunst schenkt, werden Kadins
oder Frauen genannt, ohne es gesetzlich zu seyn, und wenn eine
von ihnen ihm einen Sohn gebiert, erhält sie den Titel Haßeky,
und es wird ihr eine besondere Haushaltung eingerichtet, wahrend
die übrigen Odaliks in großen Salen gemeinschaftlich und zwar
ziemlich ärmlich wohnen. Wird der Sohn einer Haßeky Kaiser,
so erhält sie den Titel Valide Sultan und damit nicht allein
einen sehr bedeutenden Einfluß, sondern auch einen eignen Pallast
und große Einkünfte. Mit dem Tode eines Sultans aber wandert
sie sowohl als alle übrige Kadins und Odaliks in einen abgesonder-
ten Pallaft, wo sie den Rest ihrer freudenlosen Tage zubringen
muß. Töchter des Sultans werden gewöhnlich an große Staats-
beamte verheirathet und genießen ausgezeichnete Rechte; ja das Le-
den und das Glück ihres Mannes hängen ganz von ihrer Zufrie-
denheit mit ihm ab. Auch die Odaliks werden oft von den Großen
zur Ehe gesucht, um dadurch in der Gunst des Sultans zu steigen.
Die meisten dieser Sklavinnen des Sultans kommen aus Cirkassien
und Georgien und gehören zu den schönsten ihres Geschlechts; sie
werden von ihren eignen Eltern verhandelt. Der Sklavenmarkt
zu Consiantinopel ist stets mit solchen unglücklichen Mädchen besetzt,
welche nach Maaßgabe ihrer Schönheit oft zu ausschweifenden
Preisen verkauft werden; sehr gewöhnlich ist es, daß solche, wel-
che um die Gunst des Sultans oder irdend eines Großen buhlen,
ihm mit einer solchen Sklavin ein Geschenk machen. Uebrigens ist
dieser Markt jedem Nicht-Muselmann unzugänglich, und äußere
Sitte und Anstand, worauf der Muselmann viel mehr hält, als
man gewöhnlich glaubt, werden bei diesem Handel durchaus nicht
verletzt. Schwarze Sklavinnen, welche indeß nur zur Bedienung
der Frauen gehalten werden, kommen häufig aus Aethiopien und
Nubien. Außerdem werden noch eine große Zahl schwarzer und
weißer Verschnittener zur Bewachung der Weiber in dem Harem
des Sultans und der Großen gehalten. — Die Ehe wird bei den
Türken als ein bürgerlicher Contract betrachtet, daher auch der
Vertrag darüber, in welchem das Eingebrachte der Frau und das
Leibgedinge, welches ihr nach dem Tode des Mannes oder im Fall
der Scheidung zufallen soll, genau aufgezeichnet ist, vor dem Kadi
durch Bevollmächtigte unterschrieben wird; die Einsegnung durch
den Imam ist zwar gebräuchlich, aber nicht wesentlich. Sehr ge-
wöhnlich macht sich die Frau im Ehecontract aus, daß der Mann
keine andre neben ihr haben dürfe. Das Eigenthum der Frauen
wird als ein Heiligthum von den Gesetzen beschützt und kann ihnen
Blanr Handd, Ii. 2. Aust. 30
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend]]
TM Hauptwörter (200): [T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T48: [Christ Jerusalem Sultan Mekka Araber Land Jahr Stadt Mohammed Türke], T64: [Vater Sohn Jahr Tod Mutter Regierung König Kind Heinrich Bruder], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
454
A. Europa.
Gottes, und Hunkiar, d. h. Todtschläger, weil er über Leben
und Tod seiner Unterthanen gebietet, beehrt, vereinigt in seiner
Person die höchste unumschränkteste weltliche und geistliche Macht;
denn auch als Haupt der Gläubigen, als Khakis oder oberster
Imam, wird er betrachtet. Nur die ausdrücklich in dem Ko-
ran, dem heiligen, von Muhammed verfaßten Buche der Mu-
hammedaner, enthaltenen Vorschriften und Verbote, als: die Be-
schneidung, die Vielweiberei, das Verbot des Weins, des Schwein-
fieisches u. s. w., sind auch für ihn unverbrüchliche Gesetze und bei-
nahe die einzigen Schranken, die seiner Willkühr gesetzt sind; denn
übrigens ist sein Wille das alleinige Gesetz, an das er selbst nicht
einmal gebunden ist, das er ändern kann so oft er will. Freilich
haben Sitte und Herkommen manche Grundsätze geheiligt, die
selbst der Sultan nicht ohne Gefahr Aufruhr zu erregen überschrei-
ten dürfte; aber jede andre Vorschrift, selbst solche, welche von
Khalifen und geachteten Lehrern nach dem Tode Muhammeds auf-
gestellt worden, und deren Sammlung, Multeka genannt, das
Hauptgesetzbuch der Türken ist, kann er durch eine willkührliche
Auslegung umgehen, oder vernichten. Er ist der unumschränkte
Gebieter über Leben und Tod seiner Unterthanen, der eigentliche
Besitzer alles Grundcigenthums, mit Ausnahme dessen, was from-
men Stiftungen gehört, und die einzige Quelle aller Ehren und
Würden; denn alle Unterthanen sind vor ihm gleich, man kennt
keinen Adel und keinen Unterschied der Stände in. der Türkei. Die
Regierung darf nie auf die Weiber übergehen; der Thron sollte
eigentlich vom Vater auf den ältesten Sohn erben, allein hier, wie
in allen despotischen Regierungen, haben Aufruhr des Volks und
der Soldaten und blutige Hofkabalen gar oft diese Ordnung ge-
stört, und meistens, um Regierungen von Minderjährigen zu ver-
meiden, den ältesten Prinzen von der kaiserlichen Familie auf den
Thron erhoben. Eine andre üble Folge des unumschränkten Des-
potismus und des dadurch veranlaßten Argwohns ist die, daß nicht
selten ein Sultan, unmittelbar nach der Thronbesteigung, seine
Brüder, oder wer sonst aus seiner Familie ihm gefährlich werden
könnte, blenden oder gar umbringen laßt. In jedem Fall aber,
auch wenn jene grausamen Maaßregeln nicht geübt werden, müs-
sen die übrigen Mitglieder der kaiserlichen Familie, wie halbe Ge-
fangene, in trauriger Abgeschiedenheit in irgend einem Pallaste
leben.
Gewöhnlich, aber ganz fälschlich, glaubt man, der Mufti sey
das Oberhaupt der Geistlichkeit und übe als solcher eine selbst die
des Sultans beschränkende Macht. So ist es aber keinesweges.
Der Mufti, auch wohl Scheik Islam, d. h. Haupt des wah-
ren Glaubens genannt, ist das Haupt einer allerdings sehr geach-
teten Körperschaft, der Ulemas, denen die Bewahrung der Re-
ligion und der Gesetze des Reichs anvertraut ist. Aus ihrer Mitte
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan]]
TM Hauptwörter (200): [T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T48: [Christ Jerusalem Sultan Mekka Araber Land Jahr Stadt Mohammed Türke], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Extrahierte Personennamen: Muhammed Muhammed Muhammeds
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A. Europa.
dem Umfange ihres Gebiets führen diese Beamten verschiedene Na-
men. Die Beglerbegs, d.h. Fürsten der Fürsten, haben die
Aufsicht über ganze Provinzen; kleinere Theile werden von einem
Pascha, noch kleinere von einem Bey, die kleinsten von einem
Aggregiert: keiner ist indeß von dem andern abhängig. Da der
Sultan, oder vielmehr seine Minister und Günstlinge alle diese
Stellen vergeben, so werden sie gewöhnlich dem Meistbietenden
verliehen, der sich nun wieder um so mehr durch Erpressungen von
seinen Untergebenen zu entschädigen sucht, als diese Stellen in der
Regel nur auf ein Jahr verliehen werden. Wer aber die Abgaben
pünktlich einsendet, wird leicht in seinem Amte für längere Zeit be-
stätigt. Hat er sich aber einmal festgesetzt, so wagt er es auch
wohl, den Tribut zurückzuhalten und die Bestätigung in seine
Würde zu erzwingen: daher in der neuern Zeit so viele Paschen
nur noch dem Namen nach dem Sultan unterworfen sind; mehrere
selbst häufig im offenen Kriege mit ihm stehen. Gelingt es nicht,
sie mit Gewalt zu bezwingen, so sucht der Hof sie mit Lift aus dem
Wege zu räumen. Man sendet unter irgend einem Vorwände
einen Kapidschi Baschi, einen Diener des Serails, eine Art
von Kammerherrn, mit geheimen Befehlen; dieser sucht sich der
Person des widerspenstigen Paschen zu nähern, und gelingt cs ihm
diesen niederzustoßen, so schützt ihn die augenblickliche Vorzeigung
eines kaiserlichen Befehls gegen die Rache der Freunde des Ermor-
deten. Nicht selten aber werden solche Sendungen durch heimliche
Kundschafter verrathen und der Diener des Sultans wird das
Opfer seines Auftrags. Die Zeiten sind längst vorüber, wo es nur
der Uebersendung einer seidenen Schnur und eines kaiserlichen Be-
fehls bedurfte, um auch den mächtigsten Paschen zur demüthigen
Darreichung seines Kopfes zu bringen.
Außer diesen großen Staatsbeamten zählt der an 16000 Men-
schen umfassende Hofstaat des Sultans noch eine große
Menge Hofbeamten, deren Macht und Einfluß wegen ihrer nähern
Beziehung zur Person des Herrschers höchst bedeutend sind. Der
vornehmste von allen, welcher an der Spitze des innern Hofstaats
steht, ist der Krslar Agassi, der Aga der Frauen, das Ober-
haupt der schwarzen Verschnittenen; er hat die Oberaufsicht über
alles was den innersten Theil des Serails, den Harem oder die
Wohnungen der Frauen, die Erziehung der Kinder u. s. w. betrifft.
Sein Dienst bringt ihn der Person des Sultans am nächsten, er
gehört daher zu den gefürchtetsten Personen des Reichs. An der
Spitze des äußern Hofstaats und der zweite im Range steht der
Kapu Agassi, der Aga der Pforte, das Haupt der weißen Ver-
schnittenen; ein wahrer Hofmarschall mir sehr ausgedehnter Macht,
Er führt die Oberaufsicht über den Privatschatz des Sultans; über
Kleider, Meubles, Gerüche, über die Pagen, die Ställe, die
Gärtner oder Bv stand sch is, die Jägerei, die Thorwächler
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T48: [Christ Jerusalem Sultan Mekka Araber Land Jahr Stadt Mohammed Türke], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]